In der Nacht fährt Sandra unsere gestrige Strecke im Traum nochmals ab. Immer wenn sie zuckend wach wird, sind wir allerdings die Klippe runtergestürzt. Naja, besser so als andersrum. Wir können in aller Ruhe frühstücken, da die Fähre ja erst um 12:15 Uhr ablegt. Da das Wetter aber nicht sonderlich freundlich ist, können wir schon um 11:15 Uhr mit unserer ersten Übung beginnen.
Wir üben das Warten auf die Fähre. Damit wir beim Üben nicht gestört werden, machen wir das auch als erstes Auto in der Schlange für LKW, Wohnmobile und PKW mit Anhänger. Herrlich, mal so 45 Minuten ungestört warten zu können, macht man ja sonst auch nicht. Sandra muss über die Gangway an Bord gehen, da nur die Fahrer auf Schiff fahren dürfen. Zum Aussteigen wäre für Sandra auch kein Platz mehr gewesen. Dicht an dicht stehen die Autos gedrängt.
Dann beginnt die zweite Übung – Fähre fahren. Wir gehen, trotz leichtem Nieselregens, direkt aufs Sonnendeck. Nachdem wir das Auslaufen beobachtet haben, wischen wir uns eine Bank trocken und nehmen Platz. Ich stehe immer mal wieder auf, um Fotos der umliegenden Inseln zu machen, während Sandra tapfer den Horizont im Auge behält. Die Überfahrt ist klasse, es kommt sogar die Sonne raus. Am Horizont zeichnet sich schon Snaefellsnes unter einer dicken Wolkenschicht ab.
30 Minuten vor Stykkisholmur passiert es dann, Sandra muss auf Toilette und begibt sich deshalb ins Schiffsinnere. Als sie später wieder auftaucht, braucht die Sonne einen Moment um wieder Farbe in ihr Gesicht zu bringen. Passiert ist nichts, aber die engen Gänge und das Schaukeln haben ihr etwas zugesetzt. Wir werden besser die Schlafsäcke für die Überfahrt nach Dänemark einpacken, dann können wir die ganze Zeit an Deck sitzen.
Stykkisholmur empfängt uns als buntes kleines Fischerdorf. Seltsamerweise ist alles mit dänischen Fahnen geschmückt, eine Bühne wird aufgebaut und an der Hauptstraße stehen in regelmäßigen Abständen Mülltonnen. In der Erwartung, dass bei diesem Aufwand doch mindesten das dänische Kronprinzenpaar hier demnächst mit einer Parade langkommt, guckt Sandra in einem Geschäft was Fahnen kosten, um sich dann im Sonnenstuhl auf die Lauer zu legen. Wie sich herausstellt, ist es aber nur der „Tag der Dänen“ der hier jährlich an einem Wochenende gefeiert wird. Warum konnte uns die Bedienung am Hotdog Stand nicht sagen, es hat aber etwas mit Dänemark zu tun.
Wir verlassen Stykkisholmur und fahren nach Olafsvik. Sonne, Wolken und Regen tauchen die Landschaft auf dem Weg immer wieder in faszinierende Farben und Lichter. Wer Island nur bei Sonnenschein erlebt, verpasst eine Dramatik in der Landschaft, wie sie nur durch diese besonderen Lichtverhältnisse erzeugt werden können. Da der Tag sonst nicht sehr ereignisreich war (wir haben Phase 10 gespielt), möchte ich die Gelegenheit, wir haben den Tisch in der Kabine aufgebaut, nutzen, um ein paar Geschichten zu erzählen, die es nicht in die Tagesberichte geschafft haben.
Die Sache mit der Gerechtigkeit
Es ist schon etwas her als Sandra und ich das Hörbuch von Glennkill im Auto gehört haben. Seitdem passiert es immer wieder wenn wir Schafe sehen, dass einer von uns, vornehmlich Sandra, anfängt „Gerechtigkeit“ zu blöken. Was das auf einer Insel wie Island bedeutet ist wohl klar. Zumindest auf der Fahrt zur Askja haben wir keine Schafe gesehen. Schottland und Irland sind auf unserer „Da wollen wir hin“ Liste auch abgerutscht.
Servus, ich bin der Karsten
„Eine abgefahrene Karre habts ihr da“ begrüßt Karsten Sandra, die alleine am Bremach steht, während ich mich um die Karten für die Fährfahrt kümmere. Karsten ist Bayer. Karsten ist alleine mit seiner BMW R 1200 GS unterwegs. Würde Karsten 20 Kilo weniger wiegen, könnte man ihn mit seiner langen Mähne fast mit Michael Martin verwechseln. Da sich bei mir das Ganze etwas hinzieht – die Dame glaubt nicht, dass der Bremach nur 5,50 Meter lang ist, erzählt Karsten Sandra eine Geschichte. Karsten war auf der 88 Richtung Askja unterwegs als ihm folgendes passiert ist. Er will durch eine Furt fahren, das klappt auch ganz gut, bis ein Stein vor seinem Vorderrad liegt.
Jetzt steht er also mit seinem vollbepackten Motorrad im Wasser und kann nicht mehr vor und nicht zurück. Da er sich nicht traut bei der Strömung abzusteigen, wartet er einfach. Laut Karsten steht er dort ein Stunde bis ein Autofahrer anhält und Karsten nicht nur bewundert, sondern zu ihm ins Wasser kommt um gemeinsam das Motorrad zu befreien.
Da ich mich noch gut an eine Furt auf der 88 erinnern kann, die ich auch zu Fuß durchquert haben, muss ich sagen, Respekt Karsten. Und er war nicht mal erkältet. Wir werden Karsten wiedersehen, denn er nimmt mit uns die Fähre Richtung Heimat. Ich bin gespannt was Karsten bis dahin noch alles passiert ist.
Jedem sein Palomino
Da wir heute alleine waren, als wir auf dem Campingplatz ankamen, konnten wir das folgende Schauspiel in voller Länge genießen. Der Standard Wohnwagen auf Island ist irgendwie faltbar. Die Liebe zu faltbarem geht bei den Isländern soweit, dass wir gerade das einzige nicht faltbare Wohnfahrzeug auf diesem Platz sind, sieht man von dem McRent Wohnmobil ab, das sich mitten auf die Einfahrt zum Platz gestellt hat, weil dort die Fläche gerade genug und der Boden nicht zu weich ist.
Kommt also einer dieser faltbaren Wohnwagen auf den Platz passiert in der Regel folgendes: Da es, anders als bei deutschen Campingplätzen, keine festen Stellplätze gibt wird erst einmal eine Runde über den Platz gedreht. Ist dann ein Platz gefunden, wird rangiert und gemacht bis der Wagen abgekoppelt wird. In diesem Moment bringt der faltbare Wohnwagen seine ganze Klasse zum tragen. Zwei Personen können ihn bequem über den ganzen Platz schieben, da jetzt ohne störendes Auto drumherum der andere Platz doch besser scheint. Kaum ist der erste Wohnwagen entfaltet, kommt der Nächste auf den Platz. Oft sind es befreundete Paare oder Familien und so entstehen schnell Faltwohnwagenburgen. Während Papa und Mama also den Wohnwagen entfalten und kurbeln und schieben gehen die Kinder spielen. Ist alles fertig wird der Grill angeschmissen und von weitem sieht man kleine Rauchsäulen aus Faltwohnwagenburgen steigen.
P.S.: Die beiden Reisenden im McRent Mobil (vermutlich Deutsche) haben, nachdem Zuparken der Einfahrt, zum Glück gibt es noch eine Zweite, das Wohnmobil nur kurz verlassen um Strom anzuschließen. Jetzt sind alle Schotten dicht.