Wer meint, dass die Fahrt quer durch Dänemark und Deutschland nach so einem Urlaub nur noch ein lästiger Abschluss sei, der irrt. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es auf der Autobahn zwei Geschwindigkeitsbereiche gibt in denen eigene Regeln gelten und in denen auch eigene Geschichten geschrieben werden. Einmal gibt es den Bereich über 230 km/h und dann den Bereich unter 100 km/h, dazwischen ist Alltag. Wir haben uns, für alle die sich das jetzt fragen, in dem Bereich unter 100 km/h befunden.
Ich verlasse das Schiff und muss ein Stück fahren bis ich Sandra aufsammeln kann. Das Terminal wird gerade umgebaut und ist für die „zu Fuß Geher“ nicht ideal, weshalb Sandra mit dem Gepäck ein gutes Stück laufen musste. Auf der Autobahn setzen wir uns in den Windschatten eines LKW´s der einen Container von der Fähre geladen hat. Für die nächsten Stunden haben wir also das Logo von Blue Water Smyril vor uns. Immer wieder überholen uns andere Fahrzeuge vom Schiff und man winkt und grüßt sich.
Wir machen eine Mittagspause, um 16:00 Uhr, und vertreten uns kurz die Beine. Da die Sonne scheint und es in der Fahrerkabine relativ warm ist, verladen wir unsere Einkäufe in den Kühlschrank, die Schokolade soll ja nicht schmelzen. Während unserer Pause fährt ein neuer Iveco Daily 4×4 an uns vorbei, wir kennen das Fahrzeug von der Fähre und es wird in diesem Bericht noch eine tragende Rolle spielen. Wieder auf Achse fehlt uns ein Windschatten – LKW. Wer ist eigentlich für das Wochenendfahrverbot verantwortlich? Da Dänemark ja nicht zu den windärmsten Regionen der Welt gehört, wäre so ein LKW schon nützlich. Als dann im Rückspiegel ein roter Punkt immer Größer wird freue ich mich. Als der rote Punkt dann vor uns immer kleiner wird, muss ich eingestehen, dass der LKW einfach zu schnell für uns war.
In Deutschland kommen wir gut durch die Baustelle auf der Brücke über den Nord- Ostsee-Kanal. Kurz hinter Kiel überholt uns wieder der besagte Iveco, der scheinbar irgendwo auch eine Pause gemacht hat. Dann taucht wieder ein roter Punkt im Rückspiegel auf und wird schnell größer. Um die Faszination des Folgenden zu verstehen, muss ich wohl etwas ausholen. Der Bremach fährt bei optimalen Bedingungen, bergab und Rückenwind, etwas über 110 km/h, im Normalfall maximal 100 km/h und bei Gegenwind nicht schneller wie 90 km/h eher langsamer. Soweit die Ausgangssituation. Ein normaler LKW fährt GPS gemessen zwischen 86 – 88 km/h, also ein Geschwindigkeitsbereich in dem der Bremach sich wohl fühlt und man auch mal eine kleinere Lücke wieder zufahren kann. Der niederländische LKW der uns schonmal weggefahren ist, fährt höchst illegal im Bereich von 93 – 96 km/h. Wenn wir im Windschatten sind, können wir, auch trotz Gegenwind, das Tempo gut mitgehen, verlieren wir den Windschatten, weil ein Berg zu steil ist oder ich den Abstand zu groß werden lasse, ist der LKW auf nimmer Wiedersehen verschwunden.
Man kann das vergleichen mit einem Zugraub im wilden Westen. Wir müssen mit unserem Pferd den Moment abpassen, indem der Zug langsamer wird, um uns dann daneben zu setzten und aufzuspringen. Und diesmal klappt es. Wir sind im Windschatten und werden Richtung Hamburg gezogen. Zu meiner Überraschung ist sogar Sandra vom dem Manöver begeistert und wir freuen uns beide. Der schnelle LKW biegt leider irgendwann ab und wir sind wieder alleine. Alleine? Nein, am Horizont erkennen wir den französischen Iveco. Zur Erklärung, der Iveco ist ein ähnliches Fahrzeug wie der Bremach nur hat dieses Exemplar bestimmt 350.000 € gekostet, ist keine zwei Jahre alt, hat 50 PS mehr, muss dafür aber auch bestimmt 1,5 Tonnen mehr Gewicht mit sich rumtragen.
Langsam wird es Abend und wir behalten den Iveco im Blick. Die kühle Abendluft erreicht die Sauerstoffsättigung, die ein Ingenieur in Varese als optimal für den Motor des Bremachs erachtet hat und wir hissen unsere Totenkopfflagge. Wir gehen auf Kaperfahrt und unsere Beute ist ein französischer Iveco. Mit leichtem Geschwindigkeitsüberschuss brauchen wir bis zum Elbtunnel, um den Iveco zu stellen. Bei den Piraten ging das früher auch nicht von jetzt auf gleich. In den Hügeln hinter Hamburg ist es dann soweit und wir setzen zum Überholen an. Mittlerweile ist es so dunkel, dass wir die Gesichter im Iveco nicht mehr richtig sehen können, zufrieden muss aber anders aussehen. Kurz nachdem wir vorbei sind, verschwindet der Iveco ganz aus unserem Rückspiegel, vermutlich konnte der Fahrer die Schmach nicht ertragen. Waterloo und die Hügel hinter Hamburg werden ab jetzt immer für zwei bittere Niederlagen Frankreichs stehen.
Wir fahren bei bester Laune und lauter Musik weiter bis nach Berenbostel. Die Gästerunde von Petras Geburtstag hat sich schon stark geleert als wir um kurz vor 23:00 Uhr dort eintreffen. Auf der Terrasse wird bei einem Bier noch geklönt bis wir geschafft ins Bett fallen. Wir stehen relativ zeitig zum Frühstücken auf, steht doch noch die letzte Etappe nach Ippinghausen auf dem Programm und dort muss dann ausgeladen werden. Über die A2, A33 und A44 geht es vorbei an Bielefeld und Paderborn in Richtung Kassel. In Wolfhagen tanken wir voll und stoppen dann in Ippinghausen nochmal in der Waldecker Straße. Wir haben auf Island zwei Fahnen für die Fenster und eine große für den Kühlergrill gekauft, mit diesen schmücken wir jetzt den Bremach. Als wir um die letzte Kurve gebogen sind, sehen wir vor meinem Elternhaus ein großes Banner quer über die Straße hängen und Elmar, Christoph, Ramona, Nils und Hannah bereiten uns einen tollen Empfang, Sektdusche inklusive.
Alle erzählen, zeigen, staunen und freuen sich. Nach Kaffee und Kuchen geht es dann ans Ausladen, Wegräumen und Schäden begutachten. Der Bremach hat die letzten Wochen drei Familien auf weit über 10.000 km auf Island begleitet und alles ohne größere Schäden mitgemacht. Super!!! Geschafft aber glücklich machen wir uns, inkl. eines kleinen Zwischenstopps in Ehlen bei Ina und Dieter, auf den Weg nach Hause. Ich muss morgen wieder an die Arbeit und bin Sandra unendlich dankbar, die hier schon das Chaos bändigen wird. Wenn es etwas ruhiger ist und wir alle Quittungen und Zettel mit Kilometerständen und Litermengen gesichtet und sortiert haben, werden wir hier nochmal einen Beitrag mit unseren genauen Reisedaten und einem abschließenden Fazit veröffentlichen.