Der graue Wal

Der Tag in Husavík beginnt langsam. Wir genießen die Zeit im Bett, denn es sind keine Regentropfen zu hören, die auf die Kabine prasseln. Sandra geht in den Ort um Milch fürs Frühstück zu kaufen und ich räume im Bremach rum. Die Wäsche dreht ihre Runden in der Waschmaschine und der Kaffee läuft langsam in die Kanne. Ein gemütlicher Morgen, dem ein ereignisreicher Tag folgen sollte.

Während Sandra die Wäsche zum trocken aufhängt, kümmere ich mich um das Türschloss der Kabine. In den letzten Tagen hat das vermehrt gehakt, wenn man die Tür wieder aufschließen wollte. Ein paar Spritzer WD40 an die richtigen Stellen, etwas durchbewegen und es geht wieder reibungslos. Um 12:15 brechen wir endlich in die Stadt auf, gerade rechtzeitig damit ich noch ein Ticket kaufen und zur Wal Beobachtung um 13:00 Uhr ablegen kann. Wie schon geschrieben bleibt Sandra an Land.

Der Kutter schippert langsam raus aus dem Fjord in Richtung offenes Meer. Etwa eine Stunde dauert unsere Fahrt bis zu den „Fanggründen“. Ich spiele mit der Kamera und beobachte die anderen Mitfahrer. Als wir ankommen habe ich mich mit der Kamera in eine gute Position gebracht und erlebe meinen ersten Buckelwal aus nächster Nähe. Jetzt beginnt ein Katz und Maus Spiel zwischen unserem Boot und dem Wal. Am Ende hat der Wal die besseren Karten. Nachdem der Wal ein paarmal Luftgeholt hat geht er auf Tauchgang. Diese Tauchgänge können bis zu 20 Minuten dauern und unser Schiff fährt zur nächsten Stelle an der ein Wal gesehen wird oder zumindest die Hoffnung besteht einen zu finden.

Dass wir dabei nicht das einzige Boot sind, macht die Sache noch spannender. Die Kapitäne versuchen ihr Schiff in die jeweils günstigste Position zu bringen. Da ich auf dem Dach der Brücke stehe habe ich einen guten Blick von oben und bin erstaunt, wie gut man den grauen Schatten des Wals im Meer sehen kann, wenn er wenige Meter am Schiff vorbei taucht. Als wir nach einer Stunde wieder in Richtung Husavík abdrehen, steige ich wieder aufs Deck hinab und suche mir einen gemütlichen Platz. Als dann noch warme Getränke gereicht werden, bin ich mit der Welt im reinen.

Im Fjord von Husavík gibt es eine Insel mit einer Papageientaucher Kolonie und so kann ich vom Schiff aus die Tiere im Flug beobachten. Im vergleich zu den andere Seevögeln kann man Papageientaucher schon von weitem am Flügelschlag erkennen. Die Kolibris unter den Seevögeln machen keine Gleitphasen sondern schlagen permanent und schnell die Flügel.

Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, mache ich auf dem Weg zum Campingplatz an einer Tankstelle halt um Öl für unseren grauen Wal zu kaufen. Nach der Hochlanddurchquerung steht eine technische Durchsicht auf meinem Stundenplan. Mein Plan nur die Schrauben nachzuziehen und die Kolbenrückholfedern neu zu justieren wird schnell zunichte gemacht. Die Schraube der Stoßdämpferaufnahme am linken Hinterrad ist abgerissen und der Stoßdämpfer hängt lose runter. Das Gewinde der Schraube steckt noch in der Platte und alle Versuche den Gewinderest zu entfernen schlagen fehl. Nach kurzer Rücksprache mit Christoph beschließen wir die Aufnahmen der hinteren Stoßdämpfer zu tauschen. Unsere Platten bieten Aufnahmen auf beiden Seiten und können so auch Spiegelverkehrt genutzt werden. So passiert es also, dass ich in meinem blauen Schutzanzug unterm Bremach liege und eine intakte Stoßdämpferaufnahme demontiere.

Die Demontage an beiden Seiten klappt ohne weitere Zwischenfälle. Bevor ich aber wieder montieren kann, kommt die Uhr dazwischen. Wir haben uns für 19:00 Uhr mit Stephan und Ann-Kristin am Hafen verabredet, um gemeinsam Essen zu gehen. Schnell geduscht und in halbwegs sauberen Klamotten schaffen wir es pünktlich zum verabredeten Treffpunkt. Wir gehen in ein nettes Lokal, welches nur temporär in einem Zelt existiert. Kurzum, das Essen ist spitze und wir verbringen einen schönen Abend mit allerlei Erzählungen. Die beiden holen auch ihre Hochzeitsreise nach und sind mit drei Tagen Vorsprung in Keflavik gestartet.

Zum Bilder sortieren ist es jetzt schon zu spät, da haben wir heute nämlich die Qual der Wa(h)l.